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Unter Bussarden

 

Eigentlich wollte ich diesen Winter nach Meck-Pommes fahren, um dort den König der Lüfte zu fotografieren – also Seeadler. Wegen Corona darf man nun erstmal nicht mehr dort hinreisen. Auch wenn ich es einsehe: das grämt mich sehr. Natürlich könnte ich versuchen, einfach so rüber zu fahren, aber ich fühle mich zu alt dafür, wie ein kleiner Junge beim Äpfelklauen immer zu denken: hoffentlich erwischt mich niemand.

Also habe ich zuhause Greifvögel fotografiert. Ich will nicht den Spruch von der Not und der Tugend überstrapazieren, aber man muss ja das Beste machen aus dem, was geht. Das hieß:  Mäusebussarde (Buteo buteo). Viermal kleiner als der Seeadler, aber viel bunter. Tatsächlich gehören Mäusebussarde zu den farbvariantenreichsten Vogelarten in Mitteleuropa. D.h., Seeadler sehen als Erwachsene alle mehr oder weniger gleich aus. Mäusebussarde gibt es dagegen von fast weiß über alle Abstufungen bis dunkelbraun. Man kann das auch an den Fotos sehen, daß die Tiere sehr unterschiedlich gefärbt sind. Und was Freßverhalten und Rauflust angeht, stehen sie ihren größeren Verwandten in Nichts nach. 

Ich muss jetzt mal auf die Torte hauen: Greifvögel ablichten gehört zur Königsdisziplin in der Naturfotografie. Als Faustregel gilt, je größer ein Vogel, desto scheuer ist er. Greifvögel sind diesbezüglich am vorsichtigsten und empfindlichsten.  Jahrhunderte menschlicher Verfolgung haben Spuren im Verhalten der Tiere hinterlassen. Der Seeadler ist noch einmal eine Spur misstrauischer – insofern ist der Kulturfolger Bussard ein ganz guter Einstieg.

Trotzdem gilt es einiges zu beachten: das Versteck vor Sonnenaufgang beziehen, es über den gesamten Beobachtungszeitraum nicht verlassen und sich auch sonst still verhalten. Wenn ein Bussard schließlich nahezu lautlos aufgetaucht ist, wird er sich zunächst lange und ausgiebig umschauen und die Umgebung sichern. Hat er sich erstmal zum Fressen durchgerungen, sich also entspannt, kann ich in der Regel auch nach Herzenslust fotografieren. Aber die Vögel bleiben wachsam und man sollte nicht wild mit dem Objektiv herumschwenken. Ich arbeite ohne Streulichtblende, um die Vögel möglichst wenig zu erschrecken. Ich ziehe das Objektiv soweit zurück, dass mir das Innere meines Verstecks als Sonnenblende dient.  Es ist toll, den scheuen Vögeln so nahe zu kommen und ihnen beim Fressen zuzuschauen. Wenn mehrere Bussarde da sind und untereinander agieren, wird es oft interessanter. An und für sich sind Bussarde sind einzelgängerisch, tun sich aber im Winter mitunter zu Freßgemeinschaften zusammen, wenn irgendwo ein größeres totes Tier herumliegt.  Dabei bilden sich durchaus zeitweilige Rangordnungen aus: wer darf als erstes ran, bekommt den besten Platz und die leckersten Happen? Sollte das einmal nicht klar sein, wird das in heftigen, aber kurzen Kämpfen ausgemacht. Das ist nicht nur höchst unterhaltsam, sondern auch fotografisch einen gewisse Herausforderung. 

Die ersten Tage fotografierte ich „im Grünen“, bis es Anfang Februar endlich mal schneite. Mit Schnee sieht alles gleich noch einmal spannender aus – der Kampf ums Überleben wird sichtbarer. Mir fiel auf, dass es fast ausschließlich junge Bussarde waren, die an das Aas gingen. Erkennbar sind die Jungvögel an der fehlenden schwarzen Binde am Schwanz und dass die Brust längst gefleckt ist und nicht quer. Das hat damit zu tun, dass die jungen Bussarde noch unerfahren sind und weniger wachsam – in der Greifvogelfotografie ist es allgemein leichter, die Jungen und Doofen vor die Linse zu kriegen. Meistens kamen die ersten Vögel kurz nach Sonnenaufgang, dann gab es eine längere Pause, wo nichts los war, und schließlich erschienen die Bussarde nochmal zwei bis drei Stunden vor Sonnenuntergang. Und ja, ich habe gehofft, dass sich noch andere Greifvögel blicken lassen würden – aber außer einem (immerhin erwachsenen) Milan, der einmal kurz über den Freßplatz flog und die Bussarde erschreckte, erblickte ich nur einmal in weiterer Ferne einen Habicht und sogar einen Seeadler, die allerdings keine Notiz von den ausgelegten Leckereien nahmen.  Die Kadaver, mit dem ich die Mäusebussarde angelockt habe, stammen aus heimischer Jagd, in Absprache mit Landbesitzer und Revierinhaber.  Für das Fotoversteck empfehle ich dringend einen bequemen Stuhl mit Rückenlehne und im Winter einen Ansitzsack. Zu warm kann man eigentlich nicht angezogen sein. 

 

Zum zweiten teil der Bussardbilder geht es hier lang!

Mehr und andere Greifvogelbilder gibt es hier!

 

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